Interview mit Michael Franck

Woher nimmst du deine Inspirationen?

Diverse Nachrichten in den Medien, seien es Tageszeitungen, Fachzeitschriften, Funk und Fernsehen oder das WorldWideWeb, liefern eine schier unendliche Fülle an Anregungen und Fragestellungen. Romane können ebenso eine Quelle sein. Manchmal reicht es aber auch, einfach mit offenen Augen durch die Straßen etc. zu gehen.

Was macht deine Kunst aus deiner Perspektive so besonders?

Meine künstlerische Intention ist es, meine Fotografien mit einer klaren Botschaft zu versehen. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn es muss eine prinzipielle, systemische Hürde überwunden werden. Der französische Kulturphilosoph Roland Barthes differenziert in seinen fototheoretischen Arbeiten zwischen einer „denotativen“ und einer „konnotativen“ Ebene. Auf der ersten Ebene erfolgt die Botschaft in Bildform mittels Linien, Flächen et cetera. Es ist das Bild an sich, ein noch kontextloses Gebilde, existent, aber letztendlich unlesbar. Das fotografische Bild stellt eine unvollständige Äußerung dar, eine zunächst leere Projektionsfläche, da es aus sich selbst heraus keine Bedeutung hervorzubringen vermag. Allein sobald wir anfangen, das Bild zu beschreiben, wechseln wir schon die Ebene. Wir benutzen Sprache und damit einen spezifischen historischen und kulturellen Kontext. Erst die Bindung an einen externen Text überführt das fotografische Bild in die Sphäre der Lesbarkeit. Es ist ein hartes Urteil, aber losgelöst von ihren Kontexten besitzen Fotografien keinerlei Bedeutung. Wenn aber die Gesamtheit an Information von zwei koexistierenden Dimensionen, nämlich Bild und Text, Fotografie und Sprache getragen wird, warum nicht diese beiden Bausteine von vornherein kombinieren, um auf diese Weise zu einer unmissverständlicheren Botschaft zu gelangen? Ich habe vor diesem Hintergrund vor einiger Zeit begonnen, in meinen künstlerischen Arbeiten Bild und Text zu verschränken. Die Gesamtheit der Information wird hernach von beiden Ebenen getragen, wobei Bild und Text einander ergänzen, der Text aber ebensogut der Bildaussage entgegenlaufen kann. Im Idealfall klären sie auf oder sie verrätseln. Sie tun es so, um den Betrachter anzustupsen und auf eine spezifische Spur zu lenken. Ich will den Betrachter über die Kombination von Bild und Text auffordern, in seiner Vorstellung mittels gedanklicher Assoziationen neue Abbilder des Realen zu schaffen.

Was macht deinen Stil aus?

Kunst verstehe ich als Werkzeug der Auseinandersetzung mit Anderem außerhalb ihrer selbst. Kunst zu machen, bedeutet für mich, etwas mit den spezifischen Mitteln der Kunst zu erforschen, etwas herauszufinden über die Welt, die Gesellschaft oder den Menschen. In diesem Zusammenhang bin ich irgendwann über den Begriff des „Artistic Research“ gestolpert. Künstlerische Forschung. Ich würde sie definieren als eine spezifische Kunstpraxis, bei der Künstler als Forschende agieren und ihre Resultate in Form von Kunstprodukten darstellen. Es ist dies der Hintergrund für meine Fotoarbeiten unter der Rubrik der „Erzählungen“.

Warum ein Serie mit „gequetschten Landschaften“?

Einige künstlerisch arbeitende Fotografen beschäftigen sich schon seit mehreren Jahren mit dem wichtigen Thema der Umweltverschmutzung. Sie dokumentieren dabei bildgewaltig auf sehr unterschiedliche Weise die oft dramatischen Auswirkungen auf die Natur, den Menschen und die Gesellschaft. Demgegenüber gibt es nur wenige Beispiele, wo sich Künstler mit den Verursachungszusammenhängen, also den Orten, wo der Prozess dieser Zerstörung seinen Ausgang nimmt, auseinandersetzen. Die fortschreitende Urbanisierung und Suburbanisierung unserer Umwelt ist ein solcher Ausgangspunkt. Ohne an dieser Stelle näher auf die ökologischen und sozialen Folgen der baulichen Verdichtung einzugehen, so kann dennoch gesagt werden, dass der Aspekt der erhöhten Dichte, das heißt die Verringerung von Distanzen zwischen den menschlichen Akteuren im Raum sowie der dem Einzelnen zur Verfügung stehenden Aktionsfläche das auffälligste Merkmal der Verstädterung darstellt und vielerorts schon zu zahlreichen negativen Umwelteffekten geführt hat. Was liegt da näher, als diesen Aspekt der räumlichen Verdichtung auch sinnlich-visuell darzustellen. Auf diese Weise entstand die Idee der „gequetschten Landschaften“. Am augenfälligsten vielleicht bei den Portraits großer Städte, aber übertragbar genauso auf die peripheren ländlichen Räume, wo sich ebenfalls eine Intensivierung der Flächennutzung beobachten lässt.